Die Menschen, denen ich Sohn, Bruder, Mann, Vater, Freund, Gegner, Mitstreiter, Förderer oder Verhinderer war, sie alle bevölkern meine Bücher, ob es ihnen passt oder nicht. Die ich nicht beim Namen nenne, finden sich bis zur Kenntlichkeit entstellt wieder, in den schlimmsten Fällen.

Otto Sinalco

Friedhof 2048

Herbst 2048. Das Netz hat die Weltgesellschaft vor der Selbstzerstörung gerettet und die Kontrolle über die globalen politischen Entscheidungsprozesse übernommen; es steuert das Alltagsleben der biologisch-digitalen menschlichen Doppel-Existenzen. In Seestadt hadert der 81-jährige Ich-Erzähler Otto Sinalco mit seiner Vergangenheit. Einst hat er die Lebenszeugnisse seines Freundes und Kollegen Florian Einspieler nach dessen Suizid ins Netz verpflanzt, so am Beginn der Übersiedlung der Menschheit aus der biologischen in die digitale Welt mitgewirkt. Nun ist Florian in die Realität zurückgekehrt, er zwingt Otto zur Rechenschaft. An der Einzelsituation wird die Frage nach der letzten Generation von Menschen in der analogen Welt verhandelt.

Jakob

Dem Tiroler Theologen Jakob Dietz ist als katholischen Religionslehrer in Wien beim Missionieren eine dumme Panne mit einem muslimischen Mädchen passiert. Familie weg – was nun? In seiner verzweifelten Hilflosigkeit folgt Jakob bei der Wiederbeschaffung einer Frau dem abstrusen Rat eines Internet-Unbekannten. Und er hat Erfolg. Nicht nur einmal – mehrmals! Bloß dass jetzt der Schlitten mit ihm fährt und nicht er mit dem Schlitten. Erst vergessen, nun plötzlich auffällig, gerät er in das Visier der österreichischen Sicherheitsdienste. In diesem erotischen Schlüsselloch-Roman und außerdem packenden Antiterror-Thriller wird mit Witz, Ironie und einer Portion Zynismus gezeigt, was übrigbleibt, wenn die Ideale weg sind.

Carlo

Der junge Historiker David P. kommt in seinem neuen Dienstort im Südtiroler Burggrafenamt an, das in einer Burgruine untergebrachte Carlo-Brecher-Institut. Er erfährt, dass der Namensgeber weder wie allgemein angenommen verstorben noch die untadelige südtirolerische Integrationsfigur ist, sondern ein an Demenz erkrankter Tyrann, der auf Rache sinnt. Die sich um ihn und sein literarisches Erbe kümmern, sind alles andere als wohlmeinend und kulturbeflissen, vielmehr bestimmen Ignoranz und Intrigen, Gier und Verschlagenheit das bornierte provinzielle Arbeitsumfeld von David. Ehe er es versieht, wird er in das Gewirr von Irrsinn und Bosheit hineingezogen und herausgefordert, an der Bewahrung und Rettung des Unverdorbenen mitzuwirken.

Kurzmitteilungen aus Teheran

In diesem Buch, das aus dem Nachlass des 2022 in Santa María (Uruguay) verstorbenen Autors von Kilometer Null in unser Programm übernommen wurde, geht es Kutzenberger nicht länger um Erfundenes, sondern um erschreckende Wahrheiten. Er begibt sich in die geschützte Rolle des autofiktionalen Romanerzählers, um der Öffentlichkeit so Zugang zu brisantem Material über die Auslandsreise von Bundeskanzler Sebastian Kurz als EU-Ratspräsident mit einer Wirtschaftsdelegation in den Iran im Herbst 2018 zu ermöglichen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was Kurz in Teheran widerfahren ist und in weiterer Folge, auf welchen Mechanismen die österreichische Außen-, Wirtschafts- und Migrationspolitik beruht.

Hilda der Stier Europa

Wer verbirgt sich hinter dem Pseudonym der angeblich jungen Schweizer Autorin? Es sind lauter Film- oder Theaterszenen, manchmal sogar mit Regieanweisungen versehen, überladen mit bedeutungsschweren Requisiten und allzu allegorischen Figuren. So unzusammenhängend die Szenen erst zu sein scheinen, immer von Bildern ausgehend, wie Rembrandts Gemälde, die Inspiration für die griechische Liebe, zugleich für die europäische Idee, fügen sie sich immer mehr zu einer Geschichte zusammen. Der Schauplatz ist eine Insel im Mittelmeer. Gäste ein Ehepaar aus den USA. Mit einem Fernrohr beobachtet der Mann die See, in Monologen beschwört er seine Erwartung. Doch die Wellen schwemmen nichts als Unrat an.

Trianon

Eine unglaubliche Begebenheit aus Ungarn von großer politischer Repräsentanz für Mitteleuropa wird erzählt. Die Geschichte eines ganzen Landes steht auf dem Prüfstand. Die aktuelle politische Situation vermischt sich mit der mythologisch durchsetzten Vergangenheit. Nationale Mythen nehmen in privaten Schicksalen Gestalt an. Zum Beispiel knallt eingangs eine junge Frau mit dem Kopf voraus auf den Steinboden im Innenhof der Universität in Jugendstil-Bauweise. Der Fall, ein Zufall, ein Unfall, er löst eine mehr als dreißigjährige Kettenreaktion aus. Das Thema im Fokus: Erinnerung – täuschend, Gedächtnis – nachlassend. Eine ursprünglich sich ereignete einmalige Begebenheit ist vielfach gerahmt von Wiederholungen der Wiederholung, ständiger Rückkehr zur Rückkehr.

Lenzi und die Sommerstinkerin

Das ist ja ein Professorenroman, Dottore Henninger! So spricht eine Figur des Romans zu seinem Autor, dem dilettierenden Präsidenten der Musil-Gesellschaft. Im Juni 1935 war Robert Musil wirklich in Paris. Im Roman begegnet er dort dem Mann, den seine Figur Homo in der Novelle Grigia in Palú in den Trientiner Bergen gehörnt hat. Der Bauer ist in Amerika reich geworden, er unterbreitet dem mittellosen Schriftsteller nun ein Angebot für die Fertigstellung seines Romans, eines Paul Arnheim würdig. Die Fäden zieht wie immer die Gattin – Martha. Sie werden freilich in Paris 2007 weiter gesponnen, ohne sich aufzulösen, denn Schreiben ist unentwirrbar.

Die Klasse

Alle fünf Jahre trifft man sich in der Tiroler Kleinstadt zum Jubiläum der bestandenen Reifeprüfung, der Jahrgang 1977 einer Internatsklasse. Stets sind die Treffen ohne Zwischenfälle verlaufen, ein bisschen langweilig zwar, aber mit genug Alkohol. Beim 45-er scheint sich die Stimmung verändert zu haben. Die unvermutete Gelöstheit verführt den Ich-Erzähler, seinen ehemaligen Kameraden auf den Zahn zu fühlen, mehr von ihrem Leben damals und später in Erfahrung zu bringen. Es ist, als hätte er in ein Wespennest gestochen. Alte Rechnungen sind offen, müssen beglichen werden. Ein Unwetter hat das Tal abgeschnitten – kein Ausweg aus der Engführung von Schule, Liebe, Politik.

Die Äbtissin

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bricht der globale Geschlechterkrieg aus. Die Äbtissin entsendet ihre Novizinnen mit dem Auftrag, hochgestellte Persönlichkeiten zu verführen und durch eine Vaterschaft zu kompromittieren. Der Orden der Stockmönche holt zum Gegenschlag aus. Auf einer einsamen Insel im südlichen indischen Ozean kommt es zum Showdown zwischen Abt und Äbtissin. Pornographie, Philosophie und Politik verbinden sich in den schwer entzifferbaren Zeilen des verschwunden geglaubten Manuskripts zu einem fragmentarischen Ganzen. Über die Autorschaft wird gerätselt, das Editorinnenteam hat sich zu strenger Geheimhaltung verpflichten müssen. Doch eines steht fest: die Epoche von 1990 bis 2016 hätte anders verlaufen müssen!