Edition Ewiges Leben

Programm – Zwanzig Bücher


Krisen: Vorgeplänkel

Verlust und Krise haben in mir das reifen lassen, was ich heute die ottonische Erfindung nenne.

Wie nämlich hat Otto, wenn nicht Urheber, so doch Auslöser, auf den Verlust meines Optimismus – und auf die Krise – reagiert, in die mein Autor-Bewusstsein geraten war? „Müssen wir uns nicht völlig neu erfinden – als Autoren?“ Genauso hat er seine Frage formuliert, genau mit diesen Worten. „Wie naiv ist unser Autorverständnis gewesen?“ Das hat er mich gefragt, eine rhetorische Frage. Natürlich ist mein Autorverständnis naiv gewesen. Otto hat sich bei seiner Erfindung solidarisch verhalten. Er hat „wir“ gesagt. „Belehrt uns der Vorfall nicht darüber, dass wir als Autoren naiv gewesen sind?“ Schließlich und endlich haben wir uns den Shitstorm mit Trudi als Autoren-Kollektiv eingehandelt. „Wir haben geglaubt,“ so hat Otto schnaufend gesprochen, „wir müssen im Diskurs mit unseren Namen einstehen. Mit unserer ganzen Person. Wir haben unsere Seele an dieses System verkauft, damit wir Honorare und Ansehen einheimsen. Schluss damit!“

Zuerst habe ich nicht verstanden, worauf er hinaus wollte. Ich dachte, er wolle mich aus der Schusslinie nehmen. konsequent hat er „wir“ gesagt:

„Stoppen wir unseren Exhibitionismus!“

„Schließen wir unsere Visiere!“

„Brechen wir ihre Regeln!“

„Besiegen wir sie mit ihren Mitteln, ohne uns auf ihr Niveau zu begeben!“

Anfangs hatte ich sogar das Gefühl, Otto will mir mein naives Selbstverständnis als Autor wegnehmen, weil er mir meinen Erfolg neidet. In seiner Forderung nach einem gemeinsamen Ausstieg aus dem Literaturbetrieb könnte als heimliches Motiv die Befürchtung stecken, dass er für immer Kärntner Regionalschriftsteller bleibe, während ich auf nationaler und internationaler Ebene reüssiere. In meiner Doppelrolle habe ich mich ja gut eingerichtet, wo ich als autobiographischer Romanerzähler all das tue, wozu ich als Essayist Vernunft- und Überzeugungshemmungen habe. Ein mit dem Herzblut Schreibender bin ich gewesen – und das vor allen, alle sollen es sehen, alle sollen mich lesen! Mich! In der öffentlichen Sichtbarkeit habe ich es mir gutgehen lassen. Sie hat mich gewärmt. Sie hat ein die Mühen lohnendes Wohlbefinden in mir ausgelöst. Mit dem selbstverliebten Sanftleben sei Schluss, die ottonische Erfindung werde mich einen anderen werden lassen als Autor. Damit man mich richtig versteht: Es geht nicht bloß wieder einmal um die Erfindung eines fiktiven Autornamens und auch nicht um das, was in den heute populären so genannten autofiktionalen Romanen praktiziert wird, wo zum Beispiel der Autor Stefan K. sich in einer erfundenen Geschichte Stefan K. nennt. Jeder weiß, dass er sich selber meint und jeder spürt, dass er es genießt, sogar mit eigenem Namen von sich Sachen zu erzählen, wozu er im wirklichen Leben Handlungshemmungen hat. Genau auf das Gegenteil zielt die ottonische Erfindung. Ich selbst, ich als der wirkliche Autor aus Fleisch und Blut, habe mich zu verwandeln, mein echtes Autor-Ich soll durch die Löschung meines wirklichen Namens ausradiert werden. Gelöscht sei das Ich meiner Überzeugungen als Arzt, als Therapeut, als Essayist, mein Autor-Gewissen. Zu verwandeln habe ich mich durch Otto in seine Figur mit meinem Namen in:

Arasch Bastani.